Kapitel 21

Am nächsten Morgen trennten sie sich nach einem letzten Kuss. Unten im Dienstbotentrakt ertönten zwei Klingeln gleichzeitig.

»Es ist für Sie, Keating«, bellte Clemens mit dem Cockney-Akzent, den er niemals benutzte, sobald er durch die Bronzetür trat, die das restliche Haus vom Bereich der Dienstboten abtrennte. »Und das für dich, Simone.«

Simone verdrehte die Augen und schob ihr halb aufgegessenes Brötchen beiseite. »Der Herr hat sie wohl endlich aus dem Bett gelassen. Ich hoffe, sie kann noch gehen.«

Keating warf ihr einen finsteren Blick zu. »Sprich nicht so über den Herrn«, knurrte er.

Simone schnitt hinter seinem Rücken eine Grimasse, als er die Dienstbotentreppe hinaufeilte. »So ein hochnäsiger Kerl«, murmelte sie. »Was glaubt er, was sein geliebter Herr den ganzen gestrigen Tag im Bett gemacht hat. Schach gespielt?«

Sophie begrüßte Simone mit einem seligen Lächeln. »Lässt du mir bitte ein Bad ein, ja? Ich werde das grüne Reitkostüm tragen.«

Simone verbarg ein Lächeln. Ihr brauchte niemand erklären, was der Herr und die Herrin getrieben hatten. Man musste sich ja nur ansehen, wie glücklich Lady Sophie wirkte.

Sie fragte sich jedoch, ob die Herrin ihm schon von dem Baby erzählt hatte. Simone ahnte es seit langem, aber der Herr schien keine Ahnung zu haben. Simone blickte sich im Zimmer um. Er würde Lady Sophie bestimmt ein Schmuckstück schenken, wenn er die Neuigkeit erfuhr. Vielleicht Diamanten. jeder wusste doch, dass der Herr ein Nabob war.

Sophie war so glücklich, dass sie regelrecht in Braddons Kutsche schwebte, als er sie abholte. Sie und Madeleine hatten vor, sich an diesem Nachmittag den komplizierten Regeln bei Tisch zuzuwenden.

Sie hatten Braddon gebeten, bei dieser Lektion zugegen zu sein. Meist hatten sie ihn verbannen müssen, da er Madeleine ständig anstarrte oder, noch schlimmer, versuchte, unauffällig durch den Raum zu schlendern und sich neben sie zu setzen.

»Männer«, hatte Madeleine auf ihre köstlich unumwundene Art erklärt, »denken nur daran, Frauen zu küssen. Das habe ich von meinem Vater gelernt. Er hat nie zugelassen, dass ich den Galanen begegne, die den Stall aufsuchten. Er sagte, sie würden nur versuchen, sich einen Kuss zu stehlen.«

»Wie sind Sie Braddon überhaupt begegnet?«

»Ach, Braddon.« Madeleine lachte. »Eines Tages, als der Stall noch nicht geöffnet war, kümmerte ich mich gerade um meine Lieblingsstute Gracie. Ich weiß noch, dass ich ihr eine Mischung aus warmem Hafer zubereitete. Sie wird langsam alt«, erklärte Madeleine, »und ich gebe ihr ab und zu gerne etwas Besonderes. Nun, ich blickte auf und sah diesen blonden Riesen vor mir stehen, der mich beobachtete. Es war Braddon. Er hatte am Tag zuvor seinen Stock verloren und suchte nun danach.«

Sie kicherte. »Papa hat Recht. Männer versuchen tatsächlich bei jeder Gelegenheit, sich einen Kuss zu stehlen.«

Braddon bot ihnen gerade in diesem Moment einen lebendigen Beweis, dass Madeleines Vater gut daran getan hatte, sie vor den Londoner Gentlemen zu beschützen, die seinen Stall aufsuchten. Er starrte Madeleine unaufhörlich an, als wäre sie ein Trüffel, den er verspeisen wollte.

»Braddon«, sagte Sophie streng. »Wenn Sie sich nicht benehmen können, dann werden wir Sie bitten müssen, uns allein zu lassen.«

Braddons blaue Augen nahmen einen Ausdruck von verletzter Unschuld an. »Ich habe gar nichts getan«, sagte er und nahm hastig seinen Arm von Madeleines Taille.

Sophie lachte. Heute fand sie alles amüsant. »Madeleine muss sich konzentrieren«, sagte sie mit einem strengen Blick. »Nun wollen wir Platz nehmen.«

Die drei setzten sich an den viereckigen Esstisch der Garniers. Er war mit einem groben weißen Tuch bedeckt, aber darauf standen drei Gedecke des feinsten Porzellans, die jeweils mit vierzehn Bestecken umgeben waren. Braddon hatte all das in der Picadilly Street gekauft.

»Mein Butler hält ein scharfes Auge auf das Silber«, hatte er erklärt. »Er soll nicht denken, das wir einen Dieb im Haus haben.«

Sophie musterte den gedeckten Tisch. »Sehr gut, Madeleine. Sie haben den Tisch perfekt gedeckt.«

Braddon runzelte die Stirn. »Solche Dinge braucht sie nicht zu lernen, Sophie. Du meine Güte, ich habe vierzehn oder fünfzehn Lakaien, die den ganzen Tag nichts anderes tun als -«

»Die Lakaien decken nicht den Tisch«, unterbrach ihn Madeleine. »Das übernimmt eines der Dienstmädchen, das dabei vom Butler beaufsichtigt wird.«

»Die Herrin des Hauses muss alles wissen, was ihre Diener tun«, erklärte Sophie Braddon. »Wie soll sie sonst wissen, wenn etwas falsch gemacht wurde?«

»Hmmm«, brummelte Braddon. Er wirkte nicht sehr überzeugt. Er nahm neben Madeleine Platz, und Sophie setzte sich ihnen gegenüber.

»Wir befinden uns mitten in einem formellen Dinner«, wies Sophie sie an. »Links neben Ihnen steht ein Lakai, Madeleine, und er hält eine Platte mit Rollbraten in der Hand.«

Madeleine schenkte dem imaginären Lakaien ein Lächeln und deutete ihm mit einem Nicken an, dass sie das Fleisch versuchen wollte. Dann nahm sie die passende Gabel auf.

»Verdammt, ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viel Besteck gesehen«, murrte Braddon. »Finden Sie nicht, Sie übertreiben es ein wenig, Sophie?«

»Nein«, erwiderte Sophie ungerührt. »Was, wenn Madeleine in den St. James's Palace eingeladen wird?«

»Das ist ziemlich unwahrscheinlich«, sagte Braddon grimmig. »Ich lasse keinen dieser geilen königlichen Prinzen in Madeleines Nähe.«

»Wenn ich gerade mit Ihnen speiste, Madeleine, dann wäre ich gezwungen, Braddon an dieser Stelle eine ernste Rüge zu erteilen«, sagte Sophie. »Er spricht quer über den Tisch mit mir, was ein schlimmer Verstoß gegen die Etikette ist. Eine Dame spricht nur mit den Personen zu ihrer Linken und Rechten.« Ihr Blick wurde streng, als sie bemerkte, was Braddon tat. »Und sie erlaubt einem Gentleman nie, niemals, dass er sein Bein gegen ihres presst. Nehmen Sie Ihren Fächer in die Hand, Madeleine.«

Madeleine blickt sich verwirrt um. »Ich dachte, den hätte ich zusammen mit meinem Schal dem Lakaien gegeben.«

»Oh nein, eine Dame gibt niemals ihren Fächer aus der Hand. Nun, wenn der Gentleman nur Ihr Gefühl des Anstands verletzt hat, indem er möglicherweise einen fragwürdigen Scherz gemacht hat, dann können Sie Ihr Missfallen dadurch ausdrücken, dass Sie sich einfach einem anderen Tischnachbarn zuwenden.«

Madeleine schenkte Braddon einen zornigen Blick und bewegte dann ihren Kopf ruckartig zur linken Seite.

»Nein, nein! Das ist viel zu stark. Er ist Ihrer Aufmerksamkeit gar nicht würdig.«

Madeleine schaute Braddon von oben herab an und drehte dann ihren Oberkörper mit vernichtender Gleichgültigkeit zur linken Seite.

»Genau so!«, rief Sophie und klatschte in die Hände.

Braddons Reaktion fiel weniger begeistert aus, Er packte seine Verlobte an den Schultern und drehte sie gewaltsam zu sich herum. »Diese Sorte Blick von dir behagt mir ganz und gar nicht«, beschwerte er sich.

»Wie würde es Ihnen denn gefallen, wenn ein alter Lebemann Madeleine gegenüber eine anzügliche Bemerkung machte?«, fragte Sophie.

Braddons Augen begannen zu leuchten. »Sie hat Recht, Madeleine! Tu es noch einmal!«

Madeleine kicherte. »Genau so hat Maman immer einen unverschämten Dienstboten angesehen«, sagte sie.

Sophie runzelte die Stirn. »Dienstboten? Welche Dienstboten?«

Madeleines überraschter Gesichtsausdruck wirkte beinah komisch. »Ich weiß es nicht«, sagte sie langsam. Ach habe den Ausdruck einfach vor mir gesehen und ihn imitiert.«

»Wenn Ihr Vater für die Ställe der Flammarions verantwortlich war, hat Ihre Mutter möglicherweise auch für die Familie gearbeitet, bevor sie geheiratet hat«, mutmaßte Sophie.

Madeleine nickte.

»Nun wollen wir so tun, als hätte Braddon etwas wirklich Unentschuldbares getan«, sagte Sophie. »Als hätte er zum Beispiel sein Bein gegen Ihres gepresst.«

Madeleine nahm ihren Fächer auf und schlug Braddon damit kräftig auf die Knöchel.

»Aua!« Braddon zog seine Hand zurück. »Maddie, du hast mir die Finger gebrochen!«

»Seien Sie kein Spielverderber, Braddon«, sagte Sophie. »Versuchen Sie es noch einmal, Madeleine.« Sie zeigte ihr die Geste. »Nur ein leichter Klaps auf die Hand. Er darf nicht zu stark ausfallen, damit derjenige, der es zufällig sieht, glauben könnte, dass Sie nur mit ihm flirten. Sie wollen den Gentleman für sein anmaßendes Verhalten tadeln, aber gleichzeitig soll es niemand merken. Wenn die Leute wissen, dass er es gewagt hat, sein Bein an Ihres pressen, werden Sie Ihnen dafür die Schuld geben.«

»Das stimmt«, mischte sich Braddon ein. »Die alten Hühner, wie zum Beispiel meine oder Sophies Mutter denken immer, dass das Mädchen ihn dazu aufgefordert hat. Na, dann mal los«, sagte er fröhlich und presste unter dem Tisch sein Bein gegen Madeleine.

Madeleine zog ihr Bein zurück, schenkte Braddon einen vernichtenden Blick und klopfte ihm sacht auf die Knöchel. »Oh, vergeben Sie mir«, säuselte sie mit zuckersüßer Stimme, doch ihr Blick war eisig. »Ihre Hand muss sich zu meinem Teller verirrt haben.«

»Mein Gott«, sagte Braddon ehrfürchtig. »Ich will verdammt sein, wenn du nicht genauso kalt dreinblickst wie Sophies Mutter, Maddie. Und sie hat den gemeinsten Blick in ganz London.«

Madeleine wirkte entzückt.

»Um Madeleine als Tochter eines Marquis' auszugeben muss sie kühler sein als meine Mutter«, erinnerte Sophie die beiden. »Ihre Manieren müssen über jeden Zweifel erhaben sein. Nun mal angenommen, der Lakai erscheint mit einer italienischen Cremespeise.«

Ein paar Wochen später starrte Patrick grimmig auf die Papiere, die sich auf seinem Schreibtisch aus Rosenholz stapelten. Immer wieder sah er vor sich, was er am Morgen in seinem Bett zurückgelassen hatte und er konnte sich nicht mehr auf die Ladepapiere und die Briefe seines Vermögensverwalters konzentrieren. Er sah eine weiße, weiche Hand, die er sacht von seinem Ellbogen lösen musste. Sophie hatte geseufzt und sich im Bett herumgedreht, wobei der zarte Baumwollstoff ihres Nachthemds am Kragen auseinandergeklafft war. Er hatte sich zwingen müssen, zu gehen.

Plötzlich öffnete sich die Tür zur Bibliothek, und Patrick blickte verärgert auf Die Dienerschaft hatte strenge Anweisungen, ihn tagsüber nicht zu stören. Aber es war weder sein Sekretär noch ein entschuldigend dreinblickender Lakai. Stattdessen schlüpfte seine Frau durch die schwere Tür und schloss sie hinter sich.

Lautlos ging Sophie über den dicken Teppich zu Patricks Schreibtisch hinüber. Er wirkte beinah überrascht, sie zu sehen und beinah hätte sie den Mut verloren. Dennoch ging sie weiter, blieb neben seinem Stuhl stehen und legte ihre Hände auf seine nackten Arme. Er hatte seine Manschettenknöpfe abgenommen und die Ärmel hochgekrempelt, um den Stoff nicht mit Tinte zu beschmutzen. Ihre Finger legten sich liebkosend um seinen muskulösen Arm.

»Hast du keine Verabredung mit Braddon?« Patrick hatte den ganzen Tag daran gedacht, das Donnerstag war, und Sophie verbrachte diesen Tag fast immer mit Braddon. Er nannte ihn bereits heimlich den Braddon-Tag.

»Ich habe abgesagt«, erwiderte Sophie. »Womit warst du gerade beschäftigt?«, fragte sie.

»Ach, nur mit meiner Arbeit«, antwortete Patrick.

Als sie ihn daraufhin mit leicht hochgezogener Augenbraue ansah, warf er einen Blick auf seinen Tisch. »Ich sehe die Ladedokumente der letzten Lieferung aus Russland durch.«

»Was tust du mit ihnen?« Sophie wirkte aufrichtig interessiert. Sie beugte sich ein wenig nach vorne, um die unleserlichen Zahlenkolonnen zu entziffern.

»Was bedeutet das hier?« Ein rosiger Fingernagel verharrte in einer Reihe, in der etwas wie »14.40SL« stand.

»Das -«, Patrick kniff die Augen zusammen, »sind Samoware. Wir haben vierzig - nein, vierzehn - Samoware an einen Händler im East End geliefert, der sie bestellt hatte.«

Sophie seufzte. »Ich würde furchtbar gerne nach Russland reisen.«

»Wirklich?«

Sophies Augen leuchteten. »Hast du Kotzebues Bericht über seinen Reisen durch Sibirien gelesen?«

Nein«, erwiderte Patrick. Er stellte seine Feder in die dafür vorgesehene Halterung. Dann lehnte er sich zurück und musterte seine junge Frau. Seiner Erfahrung nach empfanden wohlerzogene englische Damen eine Reise nach Bath bereits als schreckliche Entfernung.

Sophie sah an diesem Morgen wie eine der best erzogenen englischen Damen aus, die er kannte. Sie trug ein weißes Hauskleid aus Musselin, das am Saum mit komplizierten Stickereien versehen war. Es war wunderschön gearbeitet, aber weder besonders Aufsehen erregend noch furchtbar aufreizend. Es fiel ihm nicht zum ersten Mal auf, dass Sophie seit ihrer Hochzeit ein wenig ihren Stil verändert hatte. Nicht, dass er sich beschweren wollte. Beim bloßen Anblick ihres rosafarbenen Beins, das durch die weißen Stofflagen hindurchschimmerte, spürte er eine wachsende Hitze in seinen Lenden.

Abrupt beugte sich Patrick nach vorne und unterbrach Sophies begeisterte Beschreibung von Kotzebues Abenteuer, indem er Sie mühelos auf seinen Schoß zog.

Sophie kicherte, machte aber keine Anstalten, von seinem Schoß herunterzuspringen. Stattdessen blickte sie ihn an und ihre blauen Augen verdunkelten sich zu einem dunklen Lila, was Patrick als sehr gutes Zeichen wertete. Er senkte den Kopf und legte seinen Mund auf ihre kirschroten Lippen, bevor sie protestieren konnte.

Sophie schien jedoch gar nicht protestieren zu wollen. Ihre Lippen öffneten sich, als wäre ihr diese eheliche Intimität seit Jahren vertraut, als hätte sie sich längst an das heiße Brennen gewöhnt, das sich in ihren Beinen und anschließend in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Eine starke Hand presste ihren Kopf näher an den seinen. Dann zog Patrick die Haarnadeln aus ihrer kunstvollen Frisur, warf sie auf den Boden und zog an ihren honigblonden Locken, bis sie sich plötzlich mit einem leisen Flüstern über Patricks braune Hand ergossen.

Er zog sie noch enger an sich und ihr leidenschaftlicher Kuss vertiefte sich. Seine Zunge entlockte ihr kleine Schreie, während seine Hand ihren Ausschnitt nach unten schob und ihre Brüste befreite. Sein Daumen strich ungestüm über ihre Knospen und Sophies Körper schmiegte sich in hilflosem Verlangen an ihn. Ihre Hände umklammerten seinen Nacken und sein Mund wurde zum Zentrum ihres Seins. Die Welt verwandelte sich in einen Strudel der Sinne und ihr Körper schmerzte beinah vor Lust.

Sie presste sich noch enger an Patrick, und als seine Hand ihren Kopf losließ und verführerisch ihr Bein hinaufglitt, ließ sie es geschehen. Sie hielt die Augen geschlossen und ihr Kopf fiel nach hinten, als er etwas an ihrem Hals flüsterte und seine Zunge eine sengende Spur auf ihrer Kehle hinterließ.

Als seine Hand plötzlich innehielt, riss Sophie überrascht die Augen auf. War er schockiert? Mit einem Mal bemerkte sie, dass er sie auf seinen Schreibtisch auf seine Papiere gelegt hatte. Ihr Mann stand über sie gebeugt und sein weißes Hemd fiel an der Brust auseinander - hatte sie seinen Kragen geöffnet? -, so dass unter schwarzen gelockten Haaren seine muskulöse Brust zum Vorschein kam. Unwillkürlich legte Sophie die Hand auf seine Brust und ihre Finger strichen sanft über die harten Muskeln und verkrallten sich in seinem Haar.

Patrick blickte nachdenklich auf seine Frau hinunter, während seine Hand die Liebkosung fortsetzte. Wo war das schmale, gekräuselte Band, unter das er normalerweise seine Finger schob?

Sophie ließ erneut den Kopf nach hinten fallen und ein weiterer Schrei löste sich in ihrer Brust, als er den trägen Tanz seiner Finger fortsetzte.

»Keine Unterhosen?«

Sophie schluckte schwer, öffnete die Augen und schaute ihn an, ohne ihn richtig wahrzunehmen. Wie konnte er so ruhig klingen, während er ... er ... Ihr Körper wand sich unfreiwillig unter seinen Berührungen.

»Nein.« Ihre Stimme zitterte.

»Warum nicht?«, fragte Patrick und stellte stolz fest, wie gelassen er klang. Natürlich wusste er längst, warum sie keine Unterwäsche trug. Heute war Donnerstag; heute war Braddons Tag. Verdammt, wahrscheinlich trug Sophie an Donnerstagen nie Unterhosen. Seine Hand verharrte erneut, und etwas an der unbehaglichen Stille, die sich plötzlich über den Raum senkte, machte Sophie unruhig. Sie sah ihn an wie ein Rehkitz, das ein unbekanntes Geräusch, nämlich das gefährliche Bellen der Meute, näher kommen hört. Sophie schluckte.

Patrick starrte auf seine schöne Frau hinunter. Seine Frau! Seine, seine, seine. Das Wort hämmerte ihm in den Ohren und sein Blutjagte ihm ungestüm durch die Adern. Sie war nicht seine Frau.

Seine Frau richtete sich auf, schlang die Arme um seine Taille und barg ihr Gesicht an seiner Brust, während ihre Lippen über seine harten Muskeln glitten.

»Als ich noch ein Kind war, hörte ich, wie meine Kinderfrau sich mit einer der Dienerinnen unterhielt, die bald heiraten sollte. Ich hätte nicht zuhören dürfen, aber ich tat es dennoch. Und meine Kinderfrau erzählte, dass sie, wenn sie ihren Mann ... verführen wollte, manchmal absichtlich vergaß, ihre Unterwäsche anzuziehen.«

Ihre Stimme wurde noch leiser. »Heute Morgen, nun, du erinnerst dich wahrscheinlich nicht, aber du hast mich heute Nacht liebkost. Du hast geschlafen«, fügte sie hastig hinzu. »Jedenfalls habe ich mir heute Morgen überlegt, ich könnte meine Unterwäsche vergessen, aber Simone kleidet mich immer an, also konnte ich sie nicht vergessen.«

Patrick war sich schmerzlich Sophies Lippen bewusst, die über seine Brust strichen und jeden ihrer Sätze mit einem Kuss unterstrichen, während ihr Atem seine Haare kitzelte.

»Also wartete ich, bis sie nach unten ging«, fuhr Sophie fort, »zog meine Unterhose aus, faltete sie genau so zusammen, wie sie es tut, und legte sie in die Schublade zurück. Damit sie es nicht merkt«, fügte Sophie hinzu. »Aber beim Mittagessen erinnerte ich mich daran, dass Simone mir abends häufig beim Entkleiden hilft. Was hätte sie von mir gedacht, wenn ich keine Unterhosen getragen hätte?«

Patrick spürte, wie Erleichterung ihn durchflutete und all seine Anspannung von ihm abfiel. Das war typisch für seine dumme Sophie. Sie war Französin genug, überhaupt Unterhosen zu tragen - die von vielen Engländerinnen immer noch als gewagt angesehen wurden -, aber sie war Engländerin genug, um sich wegen der Reaktion ihrer Zofe zu sorgen, wenn sie sie nicht trug.

»Also kam ich nach unten, um zu sehen, was du tust«, fuhr Sophie mit atemloser Stimme fort.

Sie verstummte, als Patrick ihren köstlichen Popo an sich zog, und schlang instinktiv die Beine um seine Hüften. Mit drei großen Schritten trug er sie zum Diwan hinüber, legte sie hin und kniete sich neben seine überraschte Frau auf den Boden. Eine ungeheure Erregung hatte ihn ergriffen, ein köstliches Sehen danach, den Körper seiner Frau in Besitz zu nehmen!

»Patrick!«

Patrick gab keine Antwort, sondern blickte mit seinen lachenden, teuflisch-schwarzen Augen auf sie hinunter. Dann beugte er sich über sie und verschloss ihre Augen mit sanften Küssen. Gleichzeitig schob er ihr das Kleid bis zur Hüfte hinauf.

Ihre Weiblichkeit war geschwollen und lieblich weich, weicher als alles, was er je zuvor berührt hatte und jede seiner Liebkosungen entlockte ihr einen keuchenden, flehenden Atemzug. Patrick grinste und zähmte ganz bewusst das Feuer, das in ihm tobte und seinen Körper zu verschlingen drohte. Seine damenhafte Frau war ohne Unterhosen in sein Arbeitszimmer spaziert, und er sollte verdammt sein, wenn er sich diese Gelegenheit entgehen ließ.

Er schloss die Tür ab und riss sich die Kleider vom Leib. Dann legte er sich vorsichtig auf sie ... und verharrte. Immer wieder reizte er sie und genoss ihre erstickten Schreie. Schließlich riss sie die Augen auf und rief ungeduldig seinen Namen.

Er beugte den Kopf und strich träge mit der Zunge über Sophies Mund, bis sich ihre Lippen öffneten. Gleichzeitig rieb er sich immer wieder an ihrer Weiblichkeit und wich geschickt ihren drängenden Hüften aus, die ihm ungeduldig entgegenstrebten.

Plötzlich rutschte Sophie mit einer überraschenden Drehung unter ihm hervor. Kleine, entschlossene Hände schubsten ihn nach hinten auf den breiten Diwan.

In den Augen seiner Frau lag ein schelmisches Funkeln, das sich sehr wohl mit dem in sein Augen messen konnte. Ihre herausfordernden Blicke trafen sich. Sophie setzte sich rittlings auf Patrick und drückte seine Schultern mit ihren Handflächen auf den Seidenbezug des Sofas.

»Nun werden wir ja sehen, wie dir das gefällt«, flüsterte sie an seinem Mund, und ihr Atem liebkoste süß seine Lippen. Sie drängte sich mit einer Bewegung an ihn, die eher von Unerfahrenheit als geschickter Verführung zeugte, aber dennoch stand Patricks Körper in Flammen. Ein Keuchen entriss sich seiner Brust und Sophie lächelte zufrieden.

Sie rutschte noch ein Stück an seinem Körper herunter und genoss das Gefühl ihrer Brüste, die sich an seine behaarte Brust pressten. Ihre Lippen fanden seine Brustwarzen und sie imitierte das, was er stets mit ihr tat. Glücklich lauschte sie auf seinen keuchenden Atem und seinen rasenden Herzschlag unter ihren Fingerspitzen.

Dann ließ sie sich von der Couch rutschen und ihr Kleid glitt mit einem seidigen Rascheln über ihr nacktes Gesäß nach unten. jeder Nerv in ihrem Körper war gespannt und forderte sein Recht. Sophie biss sich auf die Lippen und zwang sich, geduldig zu sein. Sie nahm ihn in die Hand und küsste ihn immer wieder sanft, beinah schmetterlingsgleich.

»Sophie!« Patricks Stimme hatte einen rauen, gequälten Ton, den sie noch nie zuvor gehört hatte. Sie wurde mutiger und ignorierte den Umstand, dass seine Hände über ihren Körper wanderten und es ihm gelang, ihr das Kleid nach oben zu zerren, obwohl sie auf dem Boden kniete. Zaghaft glitt ihre kleine, rosafarbene Zunge über seine harte Männlichkeit und schließlich öffnete sie den Mund und umschloss ihn mit den Lippen.

Ein ersticktes Keuchen belohnte sie.

Dann zwickte sie ihn sanft mit den Zähnen, wie es ihm zu gefallen schien, wenn sie seine Brustwarzen küsste. Aber er reagierte nicht mit einem Stöhnen, sondern mit einem Schrei.

»Sophie!«

Patrick rollte so schnell von der Couch herunter, dass Sophie gar nicht wusste, wie ihr geschah. Eine Sekunde später lag sie auf dem dicken Teppich. Das Kleid war ihr zu den Hüften hochgerutscht und ihre Beine umschlangen instinktiv seine Taille, während sich die Liebenden zu einem primitiven, ungestümen Tanz vereinten. Sophies erstickte Schreie erfüllten den Raum, unterbrochen von Patricks rauem Stöhnen.

»0 Gott, Sophie, Sophie«, schrie Patrick. Sie strebte ihm voller Wonne entgegen, während jeder Nerv in ihrem Körper in Flammen aufging.

Die darauf folgende Stille ähnelte ganz und gar nicht der Stille in der Bibliothek, bevor Sophie hereingekommen war. Patrick rollte zur Seite und zog Sophie an seine Brust. Ihr Atem ging stoßweise und immer wieder lief ein winziges Zittern durch ihren Körper.

»Patrick?«

»Hm?«

»Hat es dir nicht gefallen, als ich dich, hin, gebissen habe~«

»Nein«, sagte Patrick entschieden. Er bettete sie etwas bequemer in seine Armbeuge. »Wir werden üben«, fügte er hinzu und in seiner Stimme schwang unverhohlene Vorfreude mit.

»Ich muss dir etwas beichten«, flüsterte Sophie. »Ich war nicht ganz ehrlich zu dir.«

Patrick lauschte träge auf die süße Stimme seiner Frau, ohne wirklich auf ihre Worte zu hören.

»Ich habe dich nicht gestört, um ... das Problem mit meiner Unterhose zu lösen. Ich wollte dich verführen. Ich konnte den ganzen Morgen an nichts anderes denken.«

Patrick gab keine Antwort. Sein Arm zog sie enger an sich und presste ihren süßen, schmalen Körper gegen seine Brust. 0 Gott, wie wunderbar war es, eine Frau zu haben, die er auf den Ladepapieren, auf der Couch und auf dem Boden der Bibliothek lieben konnte. Eine Frau, die den ganzen Morgen an nichts anderes denken konnte.

Erst später am Nachmittag stahl sich ein ganz anderer Gedanke in Patricks Bewusstsein. Ohne dass er es richtig wahrnahm, durchlebte er noch einmal den Moment, als er Sophies loses Kleid zu ihrer Taille hinuntergezogen hatte. Er konnte nur mühsam ein lautes Stöhnen unterdrücken, als er daran dachte, wie ihre üppigen Brüste in seinen Händen lagen und ihn regelrecht anflehten, sie zu küssen.

Sie sind gewachsen, dachte er. Sophies Brüste sind gewachsen. Von seinen Liebkosungen? Langsam drang der Gedanke in den vernünftigen Teil seines Hirns vor. Die Wahrheit war weitaus unromantischer.

Plötzlich versteifte sich Patricks Rücken. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild von Sophies kurvenreichem Körper. Ohne es zu merken, stand er auf und rechnete verzweifelt nach. Die Nacht, in der er das erste Mal ihr Zimmer betreten hatte - Jesus, wann war das gewesen? Vor über drei Monaten.

Was war er doch für ein unglaublicher Idiot. Seit er denken konnte, hatte er Frauen vor einer Schwangerschaft bewahrt - Frauen, aus denen er sich rein gar nichts machte. Und nun, da er eine Frau gefunden hatte, die er liebte - warum sollte er es sich nicht eingestehen? Er liebte sie, liebte Sophie mit ganzer Seele und aus tiefstem Herzen. Nun hatte er sie endlich gefunden und er machte ihr den Hof - und es würde funktionieren, da war er sich sicher ... Nun hatte er sie wie ein unbedachter Trottel der schlimmsten Gefahr ausgesetzt, die es für eine Frau gab.

»Idiot! Idiot!« Patrick war sich nicht einmal bewusst, dass er, sein Gesicht den aufwändigen Stuckverzierungen an der Decke zugewandt, heulte wie ein Wolf.

Patrick hatte tatsächlich vorgehabt, Sophie den Kinderwunsch auszureden. Seine bezaubernde Frau war zu klein, zu zierlich. Er sah ihre schlanken Hüften und ihre Taille vor sich, die er früher mit beiden Händen hatte umfassen können. Wie hatte er so blind sein können? Die Anzeichen waren doch nicht zu übersehen.

Sie würde eine Geburt niemals überleben. Man brauchte sich nur seine Schwägerin anzusehen. Charlotte war viel größer als Sophie und sie wäre beinah gestorben. Verdammt, verglichen mit Sophie war sie eine Amazone. Seine Mutter... Sogar die Inderin, die er im Kindbett hatte sterben sehen, war größer als Sophie gewesen.

Wütend betrat er Sophies Schlafzimmer. »Sophie! Sophie!«, brüllte er.

Sie blickte erwartungsvoll auf, als ihr Mann die Tür aufstieß. Nachdem sie ihre türkische Grammatik den Wellen übergeben hatte, hielt sich Sophie immer noch an ihren selbst auferlegten Sprachbann. Mit Ausnahme der Besuche bei Madeleine verliefen ihre Tage unglücklicherweise sehr langweilig. Sie sprach mit der Haushälterin oder machte Einkäufe. Hinzu kam, dass die Saison noch nicht angefangen hatte und sich viele ihrer Freunde noch auf dem Land befanden.

Zurzeit las sie die Werke von Ben Jonson, wobei sie recht wahllos vorging. Sie wurde aus den altmodischen Dialogen einfach nicht schlau. Sophie musste sich eingestehen, dass sie keine Gelehrte war. Sie besaß eben nur ein Talent, und zwar für Sprachen.

Patrick durchquerte mit wenigen großen Schritten den Raum und ging neben ihrem Sessel in die Hocke. »Hör mir zu, Sophie! Ich bin vor dreieinhalb Monaten die Leiter zu deinem Zimmer hinaufgestiegen. Hattest du - hast du in dieser Zeit deine Blutung gehabt?«

»Ist es schon so lange her?« Sophie hatte sich noch nicht ausgerechnet, wann es geschehen war.

Patricks Züge wurden weich. »Ja, das ist es«, erwiderte er. »Falls du keine sehr unregelmäßige Frau bist, fürchte ich, dass wir ein Kind erwarten.«

»Es ist merkwürdig, nicht wahr?«, sagte Sophie verträumt. »Es erscheint mir beinah unmöglich. Wir sind noch nicht lange genug verheiratet.«

»So etwas wie lange genug gibt es nicht«, sagte Patrick. »Ein Tag ist genug.«

»Das stimmt nicht!«, erwiderte Sophie. »Mein Mutter hat mir gesagt ...« Aber dann verstummte sie, als ihr das Gerede der Dienerinnen einfiel, die bestimmt mehr von den praktischen Fragen bezüglich der Empfängnis wussten, als ihre arme Mutter.

Patrick deutete ihr Schweigen falsch. »Manche Frauen empfangen nicht so leicht. Vielleicht gehört deine Mutter zu der Sorte Frau, und du bist deshalb ein Einzelkind. Ich bin sicher, deine Eltern haben versucht, ein weiteres Kind zu bekommen, wenn man bedenkt, dass der Titel nur an die männlichen Nachkommen weitergegeben wird.«

Er richtete sich auf, ging ruhelos zum Fenster hinüber und blickte hinaus.

Sophie dachte stumm über die getrennten - äußerst getrennten - Schlafzimmer ihrer Eltern nach. Es kam ihr vor wie Verrat, mit der Wahrheit herauszuplatzen.

Im Raum herrschte absolute Stille. Sophies Gedanken überschlugen sich. Sie hatte versäumt, Patrick sofort von dem Kind zu erzählen. Das Glück der letzten Wochen war ihr zu zerbrechlich erschienen, um es zu stören. Und dennoch war ein Teil ihres Inneren bei jedem Gedanken an das Kind vor Freude erblüht. Es war wirklich an der Zeit, dass ihr Mann von seinem Kind erfuhr.

Ein kleines Stück dieser Freude verwelkte, als sie den Kopf wandte und einen Blick auf die Miene ihres Mannes erhaschte.

Er sah ungefähr so glücklich aus wie eine Katze, die in eine Pfütze gefallen war. Sein Gesicht war starr und seine Augen blitzten wütend.

»Was ist denn?«, fragte Sophie, und es gelang ihr rechtzeitig, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.

Patrick blickte sie an, als schien er sie gar nicht wahrzunehmen. Als er schließlich sprach, klang seine Stimme kalt und distanziert. »Ich habe es dir bereits zuvor gesagt, Sophie. Ich bin nicht die Sorte Mann, der vor Freude aufheult, wenn er sich fortgepflanzt hat. Ich habe früher immer sehr darauf Acht gegeben, dass es nicht dazu kam!«

»Aber wir sind verheiratet!«

»Welche Entschuldigung ist das?«

Ach dachte, wir hätten uns geeinigt, ein Kind zu bekommen«, sagte Sophie vorsichtig.

»Das haben wir auch«, fuhr Patrick sie an. Er wusste, dass er sich wie ein Unmensch aufführte, aber er konnte sich nicht helfen. Seit ihm die Tatsache so richtig bewusst geworden war, war er wie gelähmt vor Furcht. Warum hatte er nicht besser Acht gegeben? Warum zum Teufel hatte er eine langjährige Angewohnheit aufgegeben und auf so achtlose, verantwortungslose Weise mit seiner Frau geschlafen?

»Warum bist du dann so wütend?« Sophie war völlig verblüfft.

»Ich bin wütend auf mich selber«, sagte er und fügte dann gegen jede Logik hinzu: »Verdammt, Sophie, du bist bestimmt fruchtbar wie ein Kaninchen!«

Sophie wurde kreidebleich. »Das war eine grausame Bemerkung«, sagte sie langsam und ihre Augen suchten in seinem Gesicht.

Patrick drehte sich um und starrte wieder aus dem Fenster. »Lassen wir es einfach dabei bewenden, ja? Ich sehe keinen Grund, die Sache weiter zu diskutieren. Die Würfel sind gefallen.«

Sophie nickte, aber Patrick konnte ihr Gesicht nicht sehen. Sie hatte das Gefühl, als würde sie durch eine Eisschicht sprechen. An diesem Fall«, bemerkte sie und ging zu dem Klingelzug hinüber, »werde ich nach Simone läuten. Es ist Zeit für mein Bad.«

Patrick betrachtete seine Frau verwundert. Ihr Gesicht war entspannt und freundlich, während sie an der Tür stand und ihn abwartend anblickte. Also stürmte er hinaus. Es war schwer, angesichts dieser ... Freundlichkeit ... zornig zu bleiben. Mit jedem Schritt, den er die Treppe hinunterging, fiel sein Ärger von ihm ab und es blieb nur kalte, bittere Furcht.

Wieder flammte Zorn in ihm auf und jagte ihm, gemischt mit seiner Angst, wie ein Blitzschlag durch den Körper. Er riss die Haustür auf und stürzte an dem Lakaien vorbei, der sie ihm hatte öffnen wollen.

Dann marschierte er die Stufen hinunter und rief eine Droschke herbei, ohne auch nur einen Moment inne zu halten. Er musste weg, weg aus diesem Haus.

Zwei Stunden später war der Hauptring von Jackson's Box Salon von neugierigen anfeuernden Gentlemen umgeben, die zusahen, wie Patrick Foakes den nächsten Gegner niederschlug.

»Junge, Junge!«, sagte einer der professionellen Boxer zu Cribb, während sie von einer Ecke des Rings zusahen. »Für einen feinen Pinkel ist er gar nicht schlecht, oder?«

»Macht auch 'ne gute Figur«, sagte Cribb geistesabwesend, während seine Augen aufmerksam Patricks Arme beobachteten. »Gehen Sie zuerst mit der Rechten ran, Sir!«, rief er.

»Der braucht keine Ratschläge«, sagte der Boxer ein wenig neidisch. Und da hatte Foakes auch schon einen weiteren von Cribbs Boxern mit einem letzten dumpfen Schlag k.o. geschlagen.

Foakes blickte schwer keuchend zu Cribb hinüber und machte ihm ein Zeichen. Cribb schüttelte den Kopf.

»Gott sei Dank«, murmelte der Boxer neben ihm. Er wäre als Nächster an der Reihe gewesen, gegen einen der zahlenden Gentlemen zu kämpfen, die vor Publikum boxen wollten.

»Es ist nicht gut kämpfen, wenn man wütend ist«, sagte Cribb zu Patrick. Er wandte sich ab und konzentrierte sich auf Reginald Petersham, der gerade in den Ring kletterte.

Patrick stellte sich neben den Ring und wischte sich den Schweiß von seinem Gesicht und seiner Brust, während Komplimente auf ihn niederprasselten.

Was geschehen war, war geschehen. Sophie war schwanger. Heimtückisch tauchte das Bild eines kleinen Mädchens vor seinem geistigen Auge auf, das die Locken und das wunderschöne Lächeln seiner Mama besaß.

Er ließ das Handtuch fallen und ging in den Umkleideraum. Wenn er richtig vermutete, dann hatte Sophie noch keinen Arzt konsultiert. Er musste für sie den besten Arzt in London finden -jemand vom Royal College - und Sophie musste ihn noch am nächsten Tag aufsuchen.

Patrick schrieb hastig eine Nachricht auf das Briefpapier von Jackson's Box Salon. Dann gab er einem Burschen eine Krone, damit er sie zum Haus seines Anwalts, Mr Jennings von Jennings & Condell, brachte.

Eine halbe Stunde später betrachtete Jennings perplex die Nachricht. »Finden Sie heraus, wer der beste Arzt für Geburten ist« lautete sie. Das war alles, unterzeichnet mit Patricks kühner, schwungvoller Unterschrift.

Warum war die Nachricht am Abend überbracht worden? Was zum Teufel glaubte Foakes, was er am Abend in dieser Sache unternehmen würde, das nicht bis zum nächsten Tag warten konnte? Und warum hatte er die Nachricht von einem Boxetablissement geschickt und nicht von zu Hause aus?

Jennings rutschte unbehaglich in seinem hohen Lehnstuhl in der Bibliothek hin und her. Es würde ihm sehr missfallen, wenn Foakes mit jemand anderem als seiner Frau ein Kind gezeugt hätte. Illegitime Kinder verursachten stets unschöne finanzielle Transaktionen. Er, Jennings, musste es schließlich wissen, denn Jennings & Condell hatten die Ehre, die königliche Familie juristisch zu vertreten.

Bis dato war die Geschäftsbeziehung mit Foakes und seinem kleinen Hausstand das reinste Vergnügen gewesen. Die komplizierteste Transaktion war der Ehekontrakt gewesen, durch den Foakes seine Frau mit einer hübschen Summe bedacht hatte. Aber nun sah es ganz so aus, als würde Jennings & Condell bereits nach nur wenigen Ehemonaten zum Handlanger bei einer unmoralischen Angelegenheit gemacht.

Jennings schürzte missbilligend die Lippen. Er war ein strenger Methodist, und obwohl er für seine zügellosen, aristokratischen Klienten bittere Rechtsstreitigkeiten ausfocht, sah er keinen Grund, privat ihr Verhalten gut zu heißen.

Erst auf dem Nachhauseweg erinnerte sich Patrick an die unschöne Art, wie er sich von seiner Frau getrennt hatte. Da habe ich wohl wieder die Beherrschung verloren, dachte er. Zumindest war Sophie nicht wütend geworden. Oder doch?

Die Erinnerung an ihr lächelndes Gesicht, als sie ihm die Tür aufgehalten hatte, kam ihm ins Gedächtnis. Doch da war etwas in den Augen seiner Frau gewesen. Sie hatte gesagt, er sei grausam. Daran erinnerte er sich. Und dann hatte sie ihn angelächelt, als seien sie im Begriff gewesen, zu einer Gartenparty aufzubrechen. Aber ihre Augen hatten nicht gelächelt. Das muss ich mir für die Zukunft merken, dachte er, Sophies Augen sagen die Wahrheit.

Er kletterte die Treppe hinauf und betrat vorsichtig Sophies Schlafzimmer. Es war ein feuchter, kalter Abend und im Kamin brannte ein Feuer. Sophie saß neben dem Kamin und trug ein Nachthemd aus dünnem Batist.

Patrick ging zu ihr hinüber und ließ sich in den zweiten Schaukelstuhl fallen. Er streckte seine Beine aus und blickte zu ihr hinüber. Sophie lächelte ihn an, aber in ihren dunklen blauen Augen lag ein argwöhnischer Ausdruck. Patrick spürte einen kleinen Anflug von Triumph. Er hatte gelernt, die Reaktionen seiner Frau zu deuten. Das war gut. Ein unwissender Mann mochte annehmen, dass sie glücklich war, aber Patrick wusste es besser.

»Ich entschuldige mich«, sagte er.

Sophie nickte. »Ich hätte es dir gesagt, wenn du mich gefragt hättest, Patrick.« Sie hatte nervös die Hände im Schoß verschränkt.

Eine weitere Möglichkeit, ihre Gefühle zu deuten, dachte Patrick. Ihr Gesicht trug einen freundlichen, gelassenen Ausdruck, aber ihre Hände bewegten sich unruhig. Sie sagte nichts und richtete den Blick auf die Flammen, die an den Holzscheiten im Kamin hoch züngelten.

In Wahrheit war Sophie vor Zorn wie gelähmt. Aber was konnte sie sagen? Sobald sie den Mund öffnete, würde sie ihn anschreien und heftige Vorwürfe machen, weil er im Bezug auf ihr ungeborenes Kind so gefühllos war und sich überhaupt so unsagbar dumm verhielt.

Es war besser, sie sagte nichts. Also verschränkte sie die Hände so fest ineinander, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

»Hast du schon einen Arzt konsultiert, Sophie?«

Überrascht blickte sie auf »Nein.«

Patrick runzelte die Stirn. »Dann werde ich einen aussuchen.«

Nach einem Moment stand er auf, machte einen großen Schritt auf sie zu, hob Sophie hoch und ließ sich mit ihr in ihren Stuhl fallen. Der Körper seiner Frau versteifte sich zuerst, lehnte sich dann jedoch entspannt an seine Brust.

»Eine Frau und ein Baby«, flüsterte Patrick an ihrem Hals. Er schlang seine Arme um sie, als könne er sie so vor allem Übel beschützen. So saßen sie eine lange Zeit beieinander.

02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
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